Der sogenannte islamische/islamistische Antisemitismus gilt in Anbetracht des Nahost-Konflikts als der am stärksten ausgeprägte Antisemitismus heutzutage. (Siehe auch -> Israel-bezogener Antisemitismus)

In diesem Kontext stellt sich stets die Frage, ob diese Form des Antisemitismus ihre Wurzeln in der islamischen Tradition hat.

Die Betrachtung des Qur’ans, der heiligen Schrift des Islams, ergibt wenig Klarheit, da es sowohl positive als auch negative Suren (Abschnitte im Qur’an) über Juden (und Christen!) gibt.

Relevanter ist dagegen die Betrachtung post-qur’anischer Quellen, insbesondere der al-Sira al-Nabawiyyah (der Biographie des muslimischen Propheten Muhammad), verfasst von Mohammed ibn Ishaq (708 –768) und später mehrfach rezitiert und erweitert.

Diese Prophetenbiographie, eine Sammlung der Hadithe (mündliche Überlieferungen über den Muhammad), legte deutlich die problematische Beziehung zwischen der frühen muslimischen Gemeinde und den Juden im vorislamischen Arabien offen.

Die Entstehung der muslimischen Tradition wird ins 7. Jh. u.Z. datiert, in eine Zeit, in der das Christentum sich vom Judentum abgekapselt hat und der -> Antijudaismus seine Anfänge gehabt hat.

Währenddessen befand sich das vorislamische Arabien im Zangengriff zwischen dem zoroastrischen Reich persischen Sassaniden und dem christlichen Byzanz. Letzter führte eine deutlich anti-jüdische Politik aus.

Ebenso muss die militärische Konfrontation zwischen Judentum und Christentum in Abessinien (heute Äthiopien) und dem Jemen in Betracht gezogen werden.

Vor diesem Hintergrund erscheint die muslimische Tradition, die nachweislich zahlreiche Rituale und Glaubenssätze aus den beiden vorherigen Traditionen übernommen hat, als eine für Araber geignete Zwischenlösung zu sein.

Folgt man der Prophetenbiographie und der Hijra (der großen Migration der frühen, muslimischen Gemeinde unter Muhammad von Mekka nach Yathrib, dem späteren Medina), die den muslimischen Kalender beginnen lässt, wird deutlich, dass Muhammad sich um eine Anerkennung seines Prophetentums von den Juden in Yathrib erhoffte. Doch genau diese blieb aus!

Die daraus resultierende Konsequenz war die Vertreibung der jüdischen Stämme der Banu Qainuqa und Banu Nadir sowie die Tötung und Versklavung der Banu Quraiza.

Diese Erzählung, welche sich historisch nicht belegen lässt, wirkte bis in die Neuzeit als Element der Feindschaft zu Juden, obwohl es in der muslimischen Welt nie zu einer weitreichenden Verfolgung der jüdischen Minderheiten gekommen ist. Im Gegenteil, Teile der muslimischen Welt wurden zu einer Zuflucht für jüdische Flüchtlinge aus Europa, insbesondere nach dem Alhambra-Edikt von 1492 in Spanien.

Aus diesem Grund wird der islamistische Antisemitismus von einigen Stimmen als neuzeitliche Erfindung, ähnlich wie der Islamismus/politische Islam, gesehen. Der Antisemitismus gilt damit als Import aus Europa, was mitunter den Tatsachen entspricht.

 

Die politische Dimension 

(Siehe -> Anti-Zionismus)

Ein wesentlicher Kernpunkt in der Betrachtung der politischen Zustände in der muslimischen Welt im ausgehenden 18. und 19. Jh. Der Siegeszug der europäischen Mächte in der muslimischen Welt bringe weite Teile dieser unter europäische, d.h. nicht-muslimische Kontrolle, was einen großen Schock in dieser auslöste und verschiedene Reformbewegungen entstehen ließ. Im 20. Jh. etablierte sich mit der Muslimbruderschaft im britisch kontrollierten Ägypten eine der bis heute erfolgreichsten islamistischen Bewegungen, die einen offenen Antagonismus gegenüber Juden und dem (->)Zionismus an den Tag legte. Bereits in den 1920er Jahren verübte die Muslimbruderschaft Anschläge gegen die jüdische Bevölkerung in Ägypten, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt mit dem europäischen Zionismus nichts zu tun hatte. Nach der Gründung des Staates Israel wurde die Feindschaft konkreter. Der Chefideologe der Muslimbruderschaft, Sayyid Qutb (1906 – 1966), verfasste mit „Unser Kampf mit den Juden“ (1950) eine prägende Hetzschrift. In dieser pries er die Nazis und stellte eine Verbindung zwischen Juden heute und den jüdischen Stämmen in Medina zur Zeit Muhammads, wie in der Prophetenbiografie beschrieben, da.

Bis heute ist der Antisemitismus ein fundamentaler Bestandteil der Ideologie der Muslimbruderschaft, ihrer Ableger (darunter die im Gaza-Streifen herrschende HAMAS) und weiterer islamistischer Bewegungen.

 

Die Nazis im Nahen Osten

Die politische Dimension im Nahen Osten wurde ab den 1930er Jahren von den Nationalsozialisten aufgegriffen. Mit dem Imam und Großmufti von Jerusalem, Mohammad Amin al-Husseini (1896 oder 97 – 1874) fanden die Nationalsozialisten im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina ihren wichtigsten Verbündeten in ihrem Vorhaben der Vernichtung der Juden.

Zusätzlich erfolgte eine beachtliche mediale Kampagne auf Arabisch über Broschüren und das Radio „Zeesen“, um möglichst viele Araber und Muslime für den Antisemitismus der Nazis zu gewinnen.

Die Aufarbeitung des Einflusses der Nationalsozialisten auf die muslimische Welt ist bis heute nicht abgeschlossen. Die Verbreitung von Nazi-Schriften wie Hitlers „Mein Kampf“ ist bis heute in vielen Ländern des Nahen Ostens anzutreffen.

 

Auswirkung auf die heutige Situation in Deutschland/Europa

Für die Gesellschaften in Deutschland und Europa ist der islamistische, mit dem Israel-bezogenen eng verknüpfte, Antisemitismus eine gewaltige Herausforderung. Zum einen fürchtet man eine Generalisierung der muslimischen Einwanderer, zum anderen erkennt man die Gefahr für die jüdischen Gemeinden in den jeweiligen Ländern. Auch die Intergation der muslimischen Zuwanderer und ihrer Kinder und Enkel erweist sich als besonders schwierig, da die Beschäftigung mit der deutsch-jüdischen Geschichte als Beispiel abgelehnt wird.