Bild: Ritualmord an einem christlichen Kind – Gemälde in der Kathedrale der seligen Jungfrau in Sandormirz (Polen), 18 Jh.

 

Christlicher Antijudaismus bezeichnet die Feindschaft zu Juden aus theologischen Gründen. Christlicher Antijudaismus prägte das europäische Mittelalter bis in die frühe Neuzeit. Ausgangspunkt war zum einen die innerjüdischen Auseinandersetzungen zur Zeit des zweiten Tempels und der römischen Besatzung Israels. Mit der zunehmenden Christianisierung des römischen Reiches kam es ab dem 1 Jh. u.Z zu christlichen Polemiken gegen das Judentum, stark beeinflusst durch die Theologie und Werke des konvertierten Juden Saulus/Paulus. Diese „Lösung“ des Christentums vom Judentum bildete ein Fundament für theologische Attacken auf die jüdische Gemeinschaft als den „obsoleten“ alten Bund. Das neue Christentum betrachtete sich dagegen als neuen Bund mit Gott und damit als neues „auserwähltes Volk“. Juden, die weder Jesus als Messias anerkennen wollten noch die christliche Substituionstheorie akzeptieren konnten, wurden zu Zielscheiben von christlichen Polemiken wurden.

Die Verschärfung dieser Feindschaft kann ab der „Konstantinischen Wende“, die im Jahr 313 weitreichende Veränderungen bewirkte und an deren Ende das Christentum den Rang der Staatsreligion im Römischen Reich erlangte, angesetzt werden. Mit dieser epochalen Wende setzte die jahrhundertelange politische und religiöse Verfolgung der Juden in christlichen Ländern ein.

Zum anderen erfolgte hier die vollendete Symbiose zwischen dem Christentum und der hellenistisch – römischen Kultur, die bereits lange vor dem Erscheinen der ersten Christen eine antagonistische Haltung zum Judentum entwickelte. ( -> Siehe Judentum und hellenistisch – römische Antike)

Im darauf folgenden Mittelalter prägte sich die Ablehnung der jüdischen Gemeinschaft in Vorwürfen der sogenannten Kollektivschuld am Tode Jesus aus. Die in christlichen Kreisen genannte „Blutschuld“ wurde auf Vorstellung von einem unstillbaren Blutdurst der Juden nach christlichem Blut weitergespinnt und lieferte die Grundlage für die noch heute bekannte Legende vom Ritualmord an christlichen Kindern durch Juden.

Weitere Anschuldigungen waren Hostienschädigungen oder der Vorwurf der Vergiftung der Brunnen während der Pestepedemie.

All diese Vorwürfe führten zu zahlreichen Pogromen und Übergriffen Seitens der christlichen Mehrheitsbevölkerungen quer durch Europa.

Die Anschuldigungen gegenüber Juden fanden sowohl in der Katholischen als auch orthodoxen Kirche statt. Auch die Reformation war kein Schritt in die bessere Richtung, da mit Martin Luther einer der wichtigsten Reformatoren verstärkt die Bekehrung der Juden sich zum Ziel gesetzt hatte. Mit seiner Zurückweisung verschärfte Luther seine Sprache und rief zu kollektiver Gewalt an den Juden auf.

Die Folgen dieser jahrelangen Ausgrenzung führten zur Enfremdung zwischen den jüdischen und christlichen Gemeinschaften Europas.

Jüdische Menschen mussten außerhalb der damals sicheren Stadtmauern leben, konnten kein Land besitzen und durften das wichtige Handwerk nicht ausüben. Einzig der Geldhandel (Zinswirtschaft) wurde ihnen auferlegt, was jedoch die bis heute unrühmliche Verbindung von Juden und Geld prägte.

Erst das Zweite Vatikanische Konzil 1965 spricht Juden vom Gottesmord, bzw. Kollektivschuld frei & reformiert Beziehungen zum Judentum grundlegend.

Der Antijudaismus zeigte sich stark in der Kunst (Darstellungen von Juden mit dem „Judenhut“, „Judensau“ z.B. an der Wittenberger Stadtkirche) und legte den Grundstein für heute erneut anzutreffende Verschwörungsfantasien.

 

(Mitarbeit: Phillip Komaromi, Teilnehmer von „Empowering Jewish Voices“)